Wilhelm Holzamer wird am 28. März 1870 in Nieder-Olm geboren, als erster Sohn des Sattlers Heinrich Holzamer (1843-1923) und seiner Frau Katharina, geb. Mayer (1848-1891).
Nur kurz wohnt die junge Familie in Holzamers Geburtshaus an der Pariser Straße. Mit den Brüdern Franz und Sebastian, sowie den Schwestern Apollonia und Franziska wächst er in einer schmalen Nebenstraße auf, die heute seinen Namen trägt. Zu seinen Geschwistern hat er zeitlebens ein enges Verhältnis. Die liebevolle Mutter Katharina stirb nur 43-jährig Jahren an Tuberkulose. Den Vater Heinrich beschreibt Holzamer als einen Mann mit schwierigem Charakter, der oft selbst seinem Glück im Wege stehe. Als Witwer lebt der Vater abwechselnd bei seinen Kindern in Berlin und Frankfurt.
Wie der Großvater Andreas (1805-1883) soll Wilhelm Grundschullehrer werden um rasch eigenes Geld zu verdienen. Schon vor Abschluss der Realschule schickt man ihn ins Lehrerseminar an die Bergstraße. Er wohnt dort im Haus des Seminarleiters. Getrennt von Geschwistern und Jugendfreunden erlebt er die Bensheimer Jahre als eine ‚tote Zeit’.
Mit 19 Jahren tritt er seine erste Stelle an der Realschule in Heppenheim an. Dreizehn Jahre unterrichtet er an dieser Schule Deutsch, Musik und Zeichnen. Der junge Lehrer lebt bescheiden bürgerlich. 1893 heiratet er die Kaufmannstochter Marie Hamel (1870-1942). In neun Jahren werden ihnen sieben Kinder geboren (Ilse, Lilli, Wilhelm, Otto, Anna, Hans, Mathilde).
Neben seinem Lehrerberuf baut er sich eine literarische Existenz auf. Holzamers erster Gedichtband erscheint 1892. Einzelne Gedichte und Erzählungen erscheinen fortlaufend in zahlreichen deutschen und österreichischen Zeitungen und Zeitschriften. Schnell erwirbt er sich einen Namen in der deutschsprachigen Literaturszene. Als Familienvater sucht er stetig nach Einkünften, die schnell und regelmäßig fließen sollen. Seine Romane verkauft er zum Vorabdruck an Literaturzeitschriften, bevor sie in Buchform erscheinen.
1901 bestellt Großherzog Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt und bei Rhein Holzamer für die erste Jugendstil-Ausstellung der Künstlerkolonie in Darmstadt. Auf der Mathildenhöhe arbeitet er mit einem der führenden Jugendstilkünstler, dem berühmten Wiener Architekten Joseph Maria Olbrich, zusammen. Holzamer übernimmt die literarische Leitung der Darmstädter Spiele. Für eine Spielzeit von vier Wochen plant er ein abwechslungsreiches literarisch-musikalisches Veranstaltungsprogramm begleitend zur ersten Jugendstil-Ausstellung. Zu seinen Aufgaben gehört auch das Engagement und die Betreuung der mitwirkenden Schauspieler und Musiker. Auf dem innovativen Programm der Spieleabende stehen Musikbeiträge, Gesang, Rezitationen und lyrische Szenen, die Holzamer selbst verfasst.
Lebensentscheidend wird die Darmstädter Zeit für Holzamer durch die Begegnung mit der Dessauer Hofschauspielerin Nina Carnegie Mardon (1873-1946), die er für die Darmstädter Spiele verpflichtet. Die große, blonde Engländerin, Tochter vermögender Londoner, wächst in Wales auf, besucht ein Internat in Paris zieht mit ihrer Mutter nach Berlin, später Dresden, um Schauspielunterricht zu nehmen. Sie spricht akzentfrei Deutsch und spielt zehn Jahre lang weibliche Hauptrollen u.a. in Dresden, Meiningen, Mannheim und Dessau. Sie ist mehrsprachig, gebildet, gesellschaftlich gewandt, persönlich wie finanziell unabhängig und eine aktive Verfechterin der Frauenrechte. Das Interesse, das Holzamer und Mardon aneinander finden, wird von einem tiefen gegenseitigen Verstehen getragen. Nach Abschluß des Darmstädter Projekts verarbeitet Holzamer seine anhaltende Neigung für Nina Mardon zunächst literarisch in Liebesgedichten und Frauenromanen. Spätestens mit Erscheinen dieser Bände wird die öffentliche Inszenierung seiner neuen Liebe mit seinem Familienleben unvereinbar. Der gesellschaftliche Druck wächst, in Heppenheim wie in Darmstadt, wo man ihm Anfang 1902 die Stelle des Kabinettsbibliothekars anbietet. Man rät ihm, durch eine vorübergehende räumliche Distanzierung wieder zu sich selbst zu finden. Im Herbst 1902 entschließt er sich zu einer zweimonatigen Reise nach Paris, der Stadt, in der sein Bruder Sebastian als Schneider lebt. Doch auch in Paris löst sich sein seelischer Konflikt nicht. Auf dem geplanten Rückweg nach Heppenheim erleidet einen Nervenzusammenbruch und flieht zurück nach Paris. Nach Ende ihres Engagements in Dessau verlässt Nina die Bühne dauerhaft und folgt ihm nach Paris. Die Rückkehr nach Darmstadt als Bibliothekar stehen Holzamer offen. Bedingung dafür wäre – für ihn bereits undenkbar – die Trennung von Nina. Die anhaltende Unterstützung des Großherzogs gerät zeitweise in Gefahr, da man seine Lebensweise in Darmstadt zunehmend kritisch beurteilt. Es ist Joseph Maria Olbrich, der sich für ihn beim Großherzog einsetzt.
In Paris arbeitet Holzamer an mehreren Romane und überarbeitet sein Drama Um die Zukunft. Unermüdlich schreibt er daneben Feuilletons, Kritiken und Korrespondentenberichte für die Frankfurter Zeitung und für deutsche Zeitschriften. Seine produktiven Schaffensphasen werden von seelischen und körperlichen Leiden gehemmt. Geldsorgen bestimmen seinen Alltag. Er lebt nur von seinen Zeitungshonoraren, und die Unterstützung des Großherzogs gehen direkt nach Heppenheim. Holzamers erste Sorge für seine Kinder ist es, ihnen eine gute Schulausbildung zu ermöglichen. Die ältesten Töchter Ilse und Lilly besuchen eine Internatsschule in Karlsruhe. Ein Teil der Kosten dafür wird durch ein Stipendium des Großherzogs gedeckt. Günstiger könnten die Mädchen in Paris leben, dort eine staatliche Schule besuchen und von ihrem Vater in Deutsch unterrichtet werden. Im Sommer 1904 lässt Marie Holzamer beide zu ihrem Vater nach Frankreich ziehen.
Nach dreijährigem Aufenthalt in Frankreich will Holzamer endlich ganz nach Deutschland zurückkehren. Dass er Nina nicht heiraten kann, weil Marie ihm die Scheidung verweigert, engt seine Ortswahl stark ein. Eine Lebensperspektive bietet ihm einzig die Großstadt Berlin. Im Herbst 1905 übersiedelt die Pariser Familie in die ungeliebte preußische Hauptstadt. Auch die ältesten Söhne Wilhelm und Otto können nach einem Sommeraufenthalt in Frankreich mit nach Berlin-Wilmersdorf ziehen.
Zum Jahreswechsel entsteht Holzamers bekanntester Roman Vor Jahr und Tag. Die Zeitschrift Daheim zahlt für den Vorabdruck eine besonders stolze Summe. Mit der Aussicht auf diesen Geldsegen leistet sich die Familie eine mehrwöchige Urlaubsreise auf die dänische Ostseeinsel Bornholm. Nach erholsamen Tagen erkrankt dort Sohn Otto an Diphtherie. Holzamer, geschwächt durch lange Zeiten der Überarbeitung und vorausgegangene Infekte, steckt sich bei der Krankenpflege an. Mitte August kehrt er krank nach Berlin zurück. Am 28. August 1907 stirbt Wilhelm Holzamer in einem Berliner Krankenhaus infolge der Diphtherie an Herzversagen.
Nach einer Trauerfeier mit Freunden und Familie in Berlin wird Holzamers Sarg nach Jena überführt und dort eingeäschert. Das mit ihm befreundete Verlegerehepaar Diederichs hat eine Trauerfeier mit Schriftstellerfreunden ausgerichtet. Die vier Kinder Holzamers bleiben bis zum Sommer 1908 bei Nina in Berlin. Sie sichtet Holzamers Nachlass, korrespondiert mit Schriftstellern und Verlegern und gibt bis 1912 vier Bände aus dem Nachlass heraus, darunter den Roman Der Entgleiste. 1919 heiratet Nina Mardon den langjährigen Rechtanwalt und Freund Holzamers, Justizrat Viktor Max Fraenkl. 1935 emigriert sie mit ihm in die Schweiz, wo sie 1946 stirbt.
Bis 1937 bleibt die Urne Holzamers im Besitz seines Bruders Franz in Berlin, der sich dann seiner Heimatgemeinde Nieder-Olm übergibt. Die zugesagte Beisetzung an einem würdigen Ort, bleibt aus. Nach dem Krieg holen die Kinder die Urne ihres Vaters nach Heppenheim und bestatten sie im Familiengrab neben ihrer 1942 verstorbenen Mutter Marie. Eine Gedenktafel des Bildhauers Heinz Müller-Olm befindet sich über seinem Grab.